RUNTER-VOM-SOFA-VEREIN
Der Club der Geschiedenen rüstet für ein Leben nach der Trennung
Die kleine Meldung in der Zeitung, die über Ort und Zeit der Vereinstreffen informierte, hatte er sich schon lange beiseitegelegt, erzählt Eckhard Hermenau. Er wollte gerüstet sein für den Fall, „dass es endgültig knallt“. Als das schließlich vor vielen Jahren passierte, gab es für ihn immerhin diese eine Konstante: Den Club der Geschiedenen, Getrenntlebenden und Verwitweten.
Diesem Verein schloss Hermenau sich an, nachdem seine Ehe gescheitert war. Er suchte Anschluss an einen neuen Bekannten- und Freundeskreis. Rund 100 Mitglieder hat der Verein „CdG“ im Augenblick, überwiegend reifere Jahrgänge, überwiegend Frauen.
Eine von ihnen ist Edith Wollenburg, die Kassenwartin des Vereins. Als ihr Mann sich nach 27 Ehejahren wegen einer deutlich jüngeren Frau von ihr trennte, brach ihre vertraute Welt zusammen. „Ich stand am Abgrund“, erzählt sie. Und zwar nicht nur, weil ihr Mann die gemeinsame Partnerschaft aufgekündigt und auch die heranwachsenden Kinder vor den Kopf gestoßen hatte. Auch die Freundeskreise, die sie als Paar geteilt hatten, schlossen sie immer mehr aus. Vermutlich bestand die Angst, „ich könnte anderen Frauen den Mann ausspannen und deren Ehen zerstören“. Sie fühlte sich mehrfach verlassen. „Ich musste einen kompletten Neuanfang versuchen.“ Das kostete Kraft.
Von einer Nachbarin wurde Edith Wollenburg auf den CdG aufmerksam gemacht. Zu ihrem ersten Club-Treffen ging sie „mit klopfendem Herzen“, erinnert sie sich. Schwellenangst und das Gefühl, „Ogottogott – wie mach’ ich das nur, da kann ich doch nicht hingehen“, hätten wohl alle, die zum ersten Mal kommen, sagt Rolf Boehlke, eines der Gründungsmitglieder des Vereins. 1994, einige Jahre nach der Scheidung von seiner Frau, beschloss Boehle zusammen mit sechs anderen getrennt Lebenden, einen Verein zu gründen. Bis dahin hatten sie sich in einer Limburger Wirtschaft getroffen. Der Verein aber sollte den Mitgliedern und Interessenten einen geschützten Raum bieten, in dem sie ihre Sorgen und Nöte, ihre Verzweiflung und Wut aussprechen, sich Anregungen und Aufmunterungen holen und gemeinsam Ausflüge unternehmen könnten.
Schon Mitte der 1990er Jahre, kurz nach seiner Gründung, habe der Club etwa 90 Mitglieder gezählt, sagt Boehlke. Die Nachfrage nach dieser Möglichkeit des Austauschs war vorhanden – und ist bis heute bestehen geblieben, sagt Eckhard Hermenau, der vor etwa sieben Jahren den Vorstandsposten übernahm. Mittlerweile treffen sich die Männer und Frauen zweimal im Monat zum Stammtisch. Sie haben den Nebenraum in einem Elzer Restaurant zur Verfügung.
Zum Programm des CdG gehört indes nicht nur die Bewältigung von Problemen, sondern es gibt auch Tanzveranstaltungen, Spieleabende, Museumsbesuche oder Wanderungen. Seit Jahren werden diese Aktivitäten von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern organisiert. Daran habe sich nichts geändert. Eine Änderung habe er allerdings doch vorgenommen, räumt Hermenau ein: Das Vereinslogo wurde erneuert. Das Bild eines Herzens, das durch eine Blitz geteilt wird, der auch die am unteren Bildrand liegenden Handschellen zerschmettert, fanden Hermenau, Wollenburg und die meisten der anderen Mitglieder unpassend. Es erwecke völlig falsche Assoziationen, stellten sie fest und schufen ein schlichtes Emblem: In einem blauen Kreis ist die Silhouette des Domes zu erkennen, über der die Buchstaben CdG – „Club der Geschiedenen“ – prangen. Die Aussage ist klar und nüchtern.
Das soll sie auch sein. Denn, betont Eckhard Hermenau: „Bitte nicht verwechseln: Es handelt sich hier nicht um eine Partnervermittlung oder Kontaktbörse!“ Vielmehr ist der Club inzwischen ein eingetragener Selbsthilfeverein. Es ist ein „Runter-vom Sofa-Verein“, sagt Vorsitzender Hermenau. Dessen Ziel sei es, Menschen in ihrer Lebenssituation zu unterstützen und wieder ins gesellschaftliche Leben zu integrieren. Das kann ein langer Weg sein, weiß Edith Wollenburg. In der ersten Phase nach der Trennung kämen tatsächlich die wenigsten Neumitglieder. „Da ist alles noch zu frisch.“ Die Wunden klaffen zu groß, als dass sie am Stammtisch oder bei einem gemeinsamen Ausflug geheilt werden könnten.
Die Neuorientierung brauche Zeit und Ungestörtheit, was auch erkläre, weshalb mehr alleinstehende Frauen als Männer dem Verein angehören, sagt Wollenburg. Wenn Single-Frauen gemeinsam ausgehen, würden sie sich häufig fühlen „wie bei einer Fleischbeschau“. Im Gegensatz zu alleinstehenden Männern, würden Frauen taxiert, unter Umständen belästigt. „Das wollen wir nicht. Wir wollen unter uns sein.“ Das heiße nicht, dass Singles sich nicht nach einer neuen Beziehung sehnten. Im Gegenteil.
Jüngere Leute, die in den Reihen des CdG kaum zu finden sind, suchten oftmals ihr Glück im Internet. Und sie selbst habe in den vielen Jahren seit ihrer Trennung ebenfalls das Miteinander mit einem anderen Mann versucht – und wurde jedes Mal „bitter enttäuscht“. Sie fühle sich ein bisschen „innerlich erfroren“, sagt sie. Trotz der freundschaftlichen Atmosphäre am Stammtisch. Aber vielleicht ändert sich das auch nochmal, sagt Edith Wollenburg. Nur, dann müsste sie den CdG verlassen. Es ist ein Verein für Geschiedene, Getrenntlebende und Verwitwete. Wer eine neue Lebenspartnerschaft eingeht, passt nicht mehr dazu.
- von Anken Bohnhorst-Vollmer (Mitarbeiterin im Kulturressort)
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- Veröffentlicht am 08.04.2017